Ich fotografiere jetzt seit ungefähr 6 Jahren. Ich bin jetzt im zweiten Jahr im Nebengewerbe. Mittlerweile bin ich 35 Jahre alt und mir geht es wie wohl fast allen Fotografen, ich bin zwischendurch einfach mal müde und habe Phasen, in denen ich mich unkreativ fühle. Brett vor dem Kopf.
In den letzten Jahren ist im Bereich Fotografie so unglaublich viel passiert. Viele Dinge sind einfacher geworden und viele Dinger sind auch einfach schwierig geblieben, bzw. schwierig geworden. Es gibt mittlerweile gefühlte 50 Fotografenseiten für jede Kleinstadt und 20 für jedes Dorf. Manche aus der Gegend kenn ich und manche nicht. Nicht jeder hat seinen eigenen Stil, sondern viele eifern Trends nach, die durch Facebook, Instagram und Co. gefördert werden. Junge Fotografen mit gerade einmal 20 Jahren haben, Filtern und Gegenlichtbildern sei dank, tausende Seitenlikes, ohne dabei auch nur einmal eigenständig, besonders oder auch mutig zu sein.
Ich scrolle mich in den sozialen Netzwerken durch tausende Bilder und nur noch selten macht es klick und ich finde etwas wirklich Neues. Viel eher sehe ich das gefühlt 1000te Bild einer 18-20 Jährigen, die halbnackt auf der Arbeitsplatte einer Küche sitzt und eine Schulter hängen lässt. Dabei muss das Bild nicht schlecht sein, aber eben auch nichts, was mich an den Bildschirm fesselt.
Auch habe ich selbst einige Zeit viele solcher Bilder gemacht. Auf TFP-Basis habe ich angefangen und einige Jahre wollte ich nie etwas anderes machen. Da war der Hauptjob und nicht die Notwendigkeit Geld mit dem Hobby zu verdienen. Frei sein und nur machen auf was man Bock hat.
Dann kamen die vielen Fotografenseiten und jeder Anfänger mit seiner ersten DSLR hat plötzlich Hochzeiten fotografiert. Hochzeiten! Die Aufträge, bei denen soviel schief laufen kann. Bei denen man Veranwortung trägt und einem Paar soviel Versauen kann. Dabei ist es oft eine Geschmackssache wer gebucht wird, die Verfügbarkeit spielt eine Rolle und leider viel zu oft das Geld. Natürlich kann ich mir auch einen Anfänger ins Boot holen für meine Hochzeit und eine „Reportage“ für 300 Euro schwarz fotografieren lassen. Nur sollte man sich danach nicht beschweren. Außerdem muss es nicht immer an der Erfahrung liegen. Oft genug habe ich technisch schlechte und unkreative Bilder von langjährigen Berufsfotografen gesehen.
Hier also mein Tipp: Guckt euch rechtzeitig nach einem Fotografen um! Guckt euch die Bilder an und besprecht gemeinsam was zu euch passt!
Ein guter Freund und Fotobuddy aus den ersten Tagen ist Nico (honeymilk.de). Mit Nico habe ich mich beraten und immer wieder pro und contra für ein Gewerbe diskutiert. Da Nico zu diesem Zeitpunkt schon mittendrin in der Hochzeitsfotografie war, war er ein perfekter Ratgeber. Und dann kam also im letzten Jahr das, was ich nie machen wollte: Gewerbe. Was hat sich verändert? Viel! Ich komme kaum noch zu TFP-Shootings, was mir aber gut getan hat.
Im Laufe der Jahre hat sich eine schleichende Professionalisierung eingestellt. Gar nicht geplant, sondern aus der Erforderlichkeit heraus, gute Arbeit abliefern zu wollen und seinen eigenen Anspruch hochzuschrauben. Dabei ergeben sich zu dem „Ich habe weniger Zeit“ Problem automatisch auch die „Ich muss genauer aussuchen“ Probleme. Ich kann nicht mehr jeden Gefallen tun und kann nicht mehr jedes Shooting annehmen. Will ich aber auch nicht.
Oft habe ich das Glück bei meinen Shootings, Dinge tun zu können, die mich kreativ sein lassen und die ich genau so umsetzen kann, wie ich es mir vorstelle. Ob es nun bei Hochzeiten ist oder auch bei Bildern für eine Ballettaufführung oder Portraits für Musiker.
Auf der anderen Seite lehne ich auch weiterhin Dinge ab, die mir nicht liegen. Oder auch Aufträge, wenn ich merke das man nicht auf einer Wellenlänge ist. Auch werde ich nie ein lupenreiner Konzertfotograf oder ausschließlich Hochzeitsfotograf sein. Dazu ist mir das Ausprobieren zu wichtig. Ich mache weiterhin das, was mir am meisten Spaß macht. Und das kann fast alles sein.
Und ob ich jetzt das Cover für eine Punkplatte oder Portraits für die Erzieher meiner Tochter mache, bleibt die Priorität immer gleich. Die Familie geht vor. Daher werde ich auch nie zum Weiterentwickeln nach Hamburg oder Berlin ziehen. Ich werde in dieser kleinen Stadt an der Nordsee wohnen bleiben, meine Zeit mit der Familie genießen und ab und zu für Aufträge woanders hinfahren. Ob mir das schwerfällt? Ob ich etwas vermisse? Höchstens meine Freundin und meine Tochter, wenn ich mal wieder ein paar Tage in Schweden ein Festival fotografiere. „Mach immer was dein Herz dir sagt“ hat der Wiebusch von Kettcar mal gesungen. Recht hat er. Danke!